Die Spieler schätzen in Biel die ganz besondere, familiäre und doch hochprofessionelle Kultur. Sie lässt sich an einem Beispiel erklären. Am 24. Januar 2016 verliert der SCB nach miserabler Leistung in Biel (3:4 n.V). Die sechste Niederlage in Serie. Der Baum brennt. SCB-Manager Marc Lüthi rauscht im «heiligen Zorn» in die SCB-Kabine und knallt die schwere Türe so heftig zu, dass im Gang alle erschrocken zusammenfahren, wie eine Schafherde bei einem Blitzeinschlag in die Wettertanne. Die vibrierende Erschütterung ist bis unters Dach des solid gebauten Bieler Eistempels zu spüren. So geht Krise beim SCB. Laut, polternd, impulsiv. Eine SCB-Krise hat immer einen hohen Unterhaltungswert. Das ist auch heute noch meistens so.
Am 6. Oktober 2023 hat Biel das Heimspiel gegen Kloten nach ungenügender Leistung schmählich verloren (2:4). Die fünfte Niederlage in Serie. Auch Biels Bürogeneräle sind besorgt und begeben sich «an die Front»: Neben Sportchef Martin Steinegger eilt sogar Verwaltungsrat Ueli Schwarz gemessenen Schrittes in die Kabine. Er schreitet mit bedeutungsschwerer Miene durch den Gang, öffnet die Kabinentüre und macht sie behutsam wieder zu. So geht Krise bei Biel. Leise, fast bedächtig, unspektakulär. Eine Biel-Krise hat keinen Unterhaltungswert: Krise ohne Krisenstimmung.
Die Erklärung für so unterschiedliches Verhalten in schwierigen Zeiten liegt in der Vergangenheit. Biels meisterlicher Ruhm ist verblasst. Die letzte Meisterschaft ist 1983 gefeiert worden. Vor 40 Jahren. Im gleichen Zeitraum hat der SCB zehn Titel geholt. Wir sind Meister, also sind wir. Diese DNA prägt die SCB-Kultur. Die Geschichte lehrt den SCB eine würzige Mischung aus Arroganz und Aktivismus. Forsch auftreten hilft immer und hat sogar den Aufstieg am grünen Tisch ermöglich. 2016 folgte nach Marc Lüthis krachendem Donnerwetter in Biel der Titelgewinn.
Die Vergangenheit hat die Bieler hingegen Demut und Geduld gelehrt. 13 Jahre lang darbten sie nach dem Abstieg von 1995 in einem Lotter-Stadion in der NLB. Zeitweise drohte der Konkurs. Erst 2008 gelingt, sportlich erarbeitet, die Rückkehr in die höchste Liga, 2015 wird die neue Arena eröffnet. Unbeirrbarer Optimismus, Geduld und Bescheidenheit prägen die DNA der Bieler Kultur: Wir sind froh, wieder in der höchsten Liga zu sein, also sind wir. Ein Meistertitel wäre wunderbar, aber wir können nichts erzwingen und wenn wir beharrlich weiterarbeiten, werden wir auch wieder einmal Meister. Manager Daniel Villard führt die Geschäfte seit 2003, Sportchef Martin Steinegger ist 2008 nach 13 Jahren beim SC Bern nach Biel zurückgekehrt. Und Ueli Schwarz ist in Signau, Thun, Langenthal, Bern, Gottéron, Langnau, Lausanne, Basel, beim Verband und bei der Liga in den verschiedensten Funktionen durch mehr lodernde Fegefeuer der Krise gegangen als jeder andere Verwaltungsrat in der Liga und dabei unversehrt geblieben. Wahrlich, ein paar verlorene Spiele bringen auch ihn schon lange nicht mehr aus der Fassung.
Die Bieler managen schwierige Situationen mit einer bemerkenswerten Gelassenheit und Umsicht. Was das «Bieler Tagblatt» einmal so treffend auf den Punkt gebracht hat: «Krise ohne Krisenstimmung.» Die Mannschaft steht vor einem Umbruch. Mehr als 15 Verträge laufen aus. Erfolgstrainer Antti Törmänen musste aus gesundheitlichen Gründen nach sechs Jahren sein Amt definitiv niederlegen. Die verletzungsbedingte Abwesenheit von Verteidigungsminister Viktor Lööv – er ist für Biel mindestens so wichtig wie Henrik Tömmernes für Servette war – macht alles noch ein wenig schwieriger. Zumal der neue finnische Verteidiger Ville Pokka die Erwartungen noch nicht zu erfüllen vermag.
Sportchef Martin Steinegger ahnt, dass der extreme Stilwechsel beim Trainer – Petri Matikainen ist im Vergleich zu seinem Vorgänger ein «harter Hund» – zum Problem werden kann. Noch hält Captain Gaëtan Haas das Team zusammen. Aber einige der sensiblen Leitwölfe beginnen das Fell zu sträuben. Ein Trainerproblem sieht der Sportchef noch nicht. «Das wäre erst der Fall, wenn die Spieler auf den Trainer nicht mehr reagieren würden. Wenn es egal wäre, ob er in Situationen tobt oder die Spieler einfach ignoriert.» Und hofft auf die Krisenfestigkeit seines Coaches. «Er hat sich in Russland bewährt, dann wird er die Situation bei uns wohl auch meistern.» Wo er recht hat, da hat er recht. Petri Matikainen hat es anderthalb Jahre im sibirischen Omsk ausgehalten. Da wird er wohl auch mindestens ein Jahr am milden Fusse des Juras in Biel durchstehen. Sein Vertrag läuft zwei Jahre.
Wir sehen an einem weiteren praktischen Beispiel die unterschiedliche Problemlösungskultur in Bern und Biel. Verteidiger-Talent Mika Henauer (23) gerät im Herbst in Bern in die Karriere-Sackgasse und wird zeitweise auf die Tribüne gesetzt.
Wer in Bern einmal die Gunst des Trainers und des Sportchefs verloren hat, kommt nicht mehr weiter. Erst recht, wenn er sich um einen Jüngling handelt, dem es nicht an Selbstvertrauen gebricht. Zwar prägt eine gewisse Arroganz den Führungsstil, aber es ist eine professionelle, konsequent gelebte Arroganz: Mika Henauer darf aus dem laufenden Vertrag gehen. Ein Spielertausch mit Servette scheitert und so wechselt er zu Kloten. Am 6. Oktober feiert er den Einstand beim neuen Klub mit einem 4:2 in Biel. Inzwischen hat er in Klotens Abwehr schon am drittmeisten Eiszeit und beim 1:4 in Fribourg war er soeben der Beste: 21:56 Minuten Eiszeit und eine ausgeglichene Plus/Minus-Bilanz.
Auch in Biel steckt im Herbst ein junger Verteidiger in der Sackgasse. Luca Christen (25) muss auch in seiner zweiten Saison meistens auf die Tribüne und bekommt die Eiszeit höchstens mit dem Tropfenzähler zugeteilt. Wenn er will, wird ihn Sportchef Martin Steinegger wie in der vorangegangenen Saison zwecks Spielpraxis zu einem Klub in der Swiss League ausleihen. Olten wäre interessiert. Aber Luca Christen entscheidet sich, beharrlich und geduldig auf seine Chance zu warten. Und er bekommt sie. Gegen die Lakers gilt es, die siebte Niederlage in Serie zu vermeiden. So bewundernswert die Wandlung der Lakers von den Miserablen zu den Respektablen auch sein mag: Eine Heimniederlage gegen die Mannschaft aus Rapperswil-Jona wird im Bernbiet nach wie vor als Schmach empfunden.
Die Bieler fliegen nicht mehr übers Eis und nicht mehr so hoch wie während der letzten Saison. Aus der begeisternden Mischung aus Tempo, Dynamik und Präzision ist gewöhnliches Werktaghockey geworden. Trainer Petri Matikainen reagiert mit Umstellungen und verteilt die Eiszeiten neu. Beim 2:4 gegen Kloten sitzt Luca Christen noch auf der Tribüne. Beim 2:3 n.P. in Genf kehrt er ins Team zurück und bekommt 12:39 Minuten Eiszeit bei ausgeglichener Plus/Minus-Bilanz. Und nun wird er gegen die starken Lakers sogar zum Matchwinner. Wieder bekommt er mehr als 12 Minuten Eiszeit und in der Verlängerung schickt ihn Trainer Petri Matikainen zusammen mit Tino Kessler und Luca Cunti aufs Eis. Das Trio zelebriert den Siegestreffer. Luca Christen bekommt einen Assist gutgeschrieben. Es ist der zweite Assist im erst 22. Einsatz für die Bieler während der letzten zwei Jahre. Er ist in der höchsten Liga angekommen.
Einer aus dem Kanton St. Gallen verfolgt die Geschichte mit den zwei jungen Berner Verteidigern aufmerksam. Lakers-Sportchef Janick Steinmann. Die Verträge von Mika Henauer und Luca Christen laufen aus. Am Ende der Saison verlieren die Lakers ihren fliegenden Verteidiger David Aebischer. Er wechselt für fünf Jahre und drei Millionen nach Lugano.
Mika Henauer und Luca Christen sind zwar nicht so produktiv wie David Aebischer (11 Spiele/8 Punkte/-4). Aber die DNA ihrer Spielanlage ist ähnlich. Aber weniger spektakulär und defensiv ein wenig seriöser. Auf die Frage, mit wem er nun David Aebischer zu ersetzen gedenke, reagiert Janick Steinmann etwas unwirsch. Immerhin räumt er ein, Biels Yannick Rathgeb (sein Vertrag läuft ebenfalls aus) sei wegen der Gehaltsklasse kein Thema.
Vor einem Monat schmorten Mika Henauer und Luca Christen noch scheinbar hoffnungslos in der Karriere-Sackgasse. Nun sieht die Welt schon ganz anders aus. Wenn es in den nächsten Wochen um Vertragsgespräche geht, dürfen ihre Agenten sogar ein wenig pokern.
Die ganz grossen Talente pokern mit Kontakten zu Lugano. Die etwas Kleineren immerhin mit Interesse der Lakers.
Aktuelle
Note
7
Ein Führungsspieler, der eine Partie entscheiden kann und sein Team auf und neben dem Eis besser macht.
6-7
Ein Spieler mit so viel Talent, dass er an einem guten Abend eine Partie entscheiden kann und ein Leader ist.
5-6
Ein guter NL-Spieler: Oft talentierte Schillerfalter, manchmal auch seriöse Arbeiter, die viel aus ihrem Talent machen.
4-5
Ein Spieler für den 3. oder 4. Block, ein altgedienter Haudegen oder ein Frischling.
3-4
Die Zukunft noch vor sich oder die Zukunft bereits hinter sich.
Die Bewertung ist der Hockey-Notenschlüssel aus Nordamerika, der von 1 (Minimum) bis 7 (Maximum) geht. Es gibt keine Noten unter 3, denn wer in der höchsten Liga spielt, ist doch zumindest knapp genügend.
5,2
09.22
5,2
09.23
5,2
01.24
Punkte
Goals/Assists
Spiele
Strafminuten
Er ist
Er kann
Erwarte